Eine furchtbare Erfahrung: Hass ohne Grund
Mit diesem Evangeliumsabschnitt muss man ehrfurchtsvoll umgehen. Er lehrt nicht nur etwas über die Abgrundtiefe in Menschen, die ohne Grund hassen. Er lehrt auch etwas über die Größe derer, die sich dem „Hass ohne Grund“ entgegenstellen.
Die Abgrundtiefe:
Die johanneische Gemeinde hat erfahren, dass der Name Jesus von Nazareth, von den einen für den von Gott Gesandten gebraucht, bei anderen - im 18-Bitten-Gebet werden die Anhänger des „Nazareners“ verflucht - Hass hervorgerufen hat. Dieser Hass kann weder in den Worten noch in den Taten Jesu seinen Grund haben. Es gibt einen Hass ohne Grund.
Furchtbare Erfahrung in der Neuzeit
Christen und Juden haben diese Wirklichkeit auch im 20. Jhd. erfahren und erlitten und erfahren diesen Hass in verschiedenen Ländern immer noch. Neuerdings machen Moslems und Christen ihre Erfahrung mit "Hass ohne Ursache". Natürlich wird der Hassende Ursachen für seine Haltung anführen, aber welche Ursachen halten gegenüber der Wahrheit stand? Die johanneische Gemeinde wird aus der Synagoge ausgeschlossen und bis zum Tod hin gehasst – und einige von den Hassenden verstehen ihren Hass als Gott wohlgefälliges Verhalten, als Gottesdienst.
Was haben die ohne Ursache Gehassten den Hassenden entgegenzusetzen? Worin besteht ihre Größe?
Am Hass können sie ablesen, dass sie selber nicht mehr diesem Bereich des Hasses, dem Kosmos, zugehören und dass sie Erfahrungen machen, die ihr Meister gemacht hat, der gesagt hat, dass der Knecht nicht über seinen Herren ist (Mt 10,24; Joh 13,16; 15,20). Neben dem Herrenwort können die Verfolgten ein Wort der Bibel, Ps 69,5 („Die mich ohne Grund hassen...“) sich in ihre Erinnerung rufen - wie das der Evangelist selber tut - und sich so trösten und ermutigen lassen.
Keine Privilegien für Christen ausser einem
Christen haben also keine Privilegien außer denen, dass sie als Gehasste dem Meister, dem Freund angehören, dass sie aber auch wie ihr Meister und Freund von Menschen gehört werden, die dann das Gehörte bewahren und damit leben können.
Hass gegen Gott
Die Freunde Jesu kennen den, der Jesus gesandt hat und wissen, dass es Sünde ist, Gott in Jesus abzulehnen. Die Hassenden, die aus der Synagoge ausschließen, um selbst in der Synagoge bleiben zu können und Gott zu dienen, hassen jedoch nicht nur Jesus, sondern in ihm Gott.
Ein Extrem christlicher Gemeindeerfahrung
Wir begegnen hier einem Extrem christlicher Gemeindeerfahrung an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit, und wir begegnen hier einem Extrem christlicher Reaktion an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit im Gegenüber zu einer bestimmten jüdischen Gruppe.
- und ein Extrem jüdischer Gemeindeerfahrung
Wo diese Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind – und sie sind schon sehr, sehr lange nicht mehr gegeben – kann man nicht mehr vom Hass von Juden gegenüber Gott sprechen. Wo das in der Geschichte der Kirche trotzdem geschehen ist, haben Menschen oder Gruppen in der Kirche schwere Schuld auf sich geladen.
Die Voraussetzungen, so wie die johanneische Gemeinde zu sprechen, können jedoch auch im Hass im 20./21. Jhd. gegeben sein.
In Joh 15,24 wird darauf hingewiesen, dass die Werke, die Jesus getan hat, wenn sie mit Hass beantwortet werden, „ohne Ursache“ zu diesem Hass führen.
Wenn die Werke Jesu von Christen getan werden in der Nachfolge Jesu und wenn Christen deshalb gehasst werden, zeigt sich bei den Hassenden – im 20./21. Jhd. sind das Menschen aus vielen Lagern – Hass gegen Gott.
Text aus Solidarität predigen
Insofern ist der alte Text von höchster Aktualität und muss aus Solidarität zu verfolgten Christen (und anderen verfolgten Menschen) auch dort gepredigt werden, wo Christen dieser Hass ohne Ursache nicht entgegenschlägt oder nicht mehr oder noch nicht entgegenschlägt.
Christen aller Zeiten und an allen Orten haben keine Privilegien, nicht verfolgt zu werden.
Zeugnis
„Zeugnis“ (15,26) ist sowohl gutes Wort Jesu, als auch gutes Wort durch Christen und ist Lebenszeugnis von beiden (16,1-4).
Vorhersage für Freunde mit guter, gewisser Zukunft
Die Vorhersage von Hass und von Trost gegen Hass ist Zeichen dafür, dass Christen nach dem Wort Jesu (15,14f) nicht Sklaven eines unberechenbaren Schicksals sind, sondern Freunde mit gewisser Zukunft.