Die Wundererzählung rückt in den Hintergrund
Der Evangelist hat die Speisungsgeschichte fast unverändert aus seinem Wunderevangelium übernommen, das Jesus als den Mal 3,23 verheißenen wiedergekommenen Elia dargestellt hat – in Unterscheidung zum Täufer, der keine Wunder vollbracht hat (vgl. Joh 10,40f). Jene christliche Gemeinde, die Jesus auf dem Hintergrund von Elia-Erwartungen dargestellt hat, hat kleine „Erinnerungszeichen“ an Elia bzw. Elisa in die Wundergeschichten gesetzt (vgl. Joh 2,4; 4,50; 9,7; 11,41). In Joh 6,9 sind es die „Gerstenbrote“ (vgl. 2. Kön. 4,42f).
Von Johannes stammt wohl nur 6,4, der Hinweis auf das Passafest, sowie Formulierungen in V.5f, die Erwähnung des überlegenen Wissens Jesu und z.T. die Formulierung in 6,14f vom Kommen in den Kosmos und wohl auch die Erwähnung des „Königs“.
Das eigentliche Interesse des Evangelisten zeigt sich darin, dass er die Geschichte im Zusammenhang mit der Manna-Speisung (6,26ff) sieht und sie aus der reinen Wunder-Atmosphäre herausführt (vgl. z.B. 4,48)).
Entscheidung zur Predigt: Die Wundergeschichte als Grundlage oder?
Die Predigerin/der Prediger hat also die Möglichkeit, über Joh 6,15 so zu predigen, wie man es im Hinblick auf die synoptische Speisungsgeschichte tun wird, vielleicht unter Einbeziehung von Mal 3,23f und der dort angesprochenen Versöhnung der Generationen. Joh 6,1-15 wäre dann mit den anderen Elia-Erwähnungen im Johannesevangelium (2,4; 4,50; 9,7; 11,41f) zusammenzustellen und man könnte der Gemeinde etwas über die Entstehung von christologischen Aspekten nahe bringen unter Einbeziehung der Entstehung unserer/meiner eigenen Christologie. Es könnten unsere Probleme zwischen den Generationen, unsere diesbezüglichen Ängste und Hoffnungen (Generationenvertrag, Rente, Rentenbeitragszahlungs-Erhöhung...) angesprochen werden, oder die Probleme von Überfluss – und Mangelgesellschaften auf dem Hintergrund der Speisungsgeschichte, die, in den zwölf Körben symbolisiert, den Reichtum Gottes für alle zeigt in der Aktion Jesu.
Das Wunder: dass Gott zu allen Zeiten spricht
Die andere Möglichkeit wäre, die Speisungsgeschichte so zu nehmen, wie sie Johannes im ganzen Kapitel 6 ausgedeutet hat, indem er von der materialistischen Einstellung von Hörern, die immer neue Wunder fordern (6,27; 6,30) zum Hören des Wortes Gottes, des Manna in der Gestalt der Worte und Person Jesu hingeführt hat (vgl dazu die Hinführungen zu Joh 6,30-35; 6,47-51; 6,55-65).
Insgesamt gehört Joh 6 in den großen Rahmen des Exodus, der mit denen weiter geht, die nicht auch von Jesus weggehen, sondern bei dem bleiben, der Worte des Lebens hat, sie ins Leben hineinführt und als Passalamm und Heiliger Gottes den Exodus vollendet.