Rezension Joh. Kommentar R. Schnackenburg

Rudolf Schnackenburg

Das Johannesevangelium Bd. 1-3
Herder Verlag Freiburg 1965ff

 

Rezension von Günter Reim
In: Nachrichten der Evang.- Luth. Kirche in Bayern 15/16 1976, 301-303

„Unter den deutschen Protestanten, die früher auch durch bedeutsame 'konservative' Kommentare...vertreten waren, ist es neben R. Bultmann ziemlich still geworden“ – so schrieb R. Schnackenburg im ersten Band seines Johanneskommentars, und das gilt nach zehn Jahren heute noch, nachdem der letzte Band seines großen Kommentars vorliegt. Dieser Kommentar ist ein im besten Sinne konservativer Kommentar, wie er von evangelischer Seite nicht besser geschrieben werden könnte. Bei exegetischer Offenheit gegenüber gut begründeten neueren Hypothesen sagt Schnackenburg nur soviel, wie er nach Abwägung aller Möglichkeiten mit gutem Gewissen sagen kann. Wo er selbst neue Wege geht – wenn er etwa die Kapitel 15-17 der Redaktion zuschreibt, lässt er auch andere Möglichkeiten offen. Er ist auch ständig bereit, seine Aussagen zu verfeinern (s. seine Anschauungen über den 'geliebten Jünger').

Die Gliederung des Kommentars ist übersichtlich. Jeder Band (Bd. I: Joh 1-4; Bd. II: Joh 5-12; Bd. III: Joh 13-21) enthält eine Einleitung bzw. Einführung, Auslegung und Exkurse. Texte und Literatur sind jeweils angegeben. Am Ende des III. Bandes findet man Sachregister und Register griechischer Wörter.

Zu den Einleitungsfragen:
1. Das Johannesevangelium als Evangeliumsschrift.
Die joh. Jesusreden wollen und können keine historischen Referate oder Protokolle  sein (13).   In   ihnen   zeigt   sich   die   theologische Diktion des Verfassers. Nach der Intention des Evangelisten redet der irdische Jesus im Vollbewusstsein seiner Einheit mit dem Vater, die auch auf Erden nicht aufgehoben ist...(14). Der von außen kommende Beurteiler muss dem Evangelisten zunächst die Intention abnehmen, Jesus und nicht sich selbst zu Gehör zu bringen.

2. Das Verhältnis zu den Synoptikern. Die stärksten Verbindungslinien bestehen zum Lukasevangelium, das aber durch Joh. nicht benutzt worden ist. Beide Evangelisten hatten offenbar einen stärkeren Zugang zu einer in Judäa und Jerusalem konzentrierten Tradition. Den „synoptischen Logien“ bei Joh. könnte eine schriftliche Aufzeichnung von Redegut zugrunde liegen (26). Eine direkte literarische Abhängigkeit des Joh. von den Synoptikern ist unwahrscheinlich. Eine Frühschicht der joh. Überlieferung könnte zeitlich auf einer Stufe mit der synoptischen Tradition stehen (31).

3. Literarkritik am Johannesevangelium. Für Schnackenburg gibt es situationsgelöste Redestücke in Joh. 3., Joh. 5 und 6 sind vertauscht worden. Joh. 7,15-24 gehört hinter 5,47. Die Sammlung von Abschiedsreden ist nachträglich zusammengestellt worden, von der Jüngergemeinde? (III,102f) Joh 17 ist eine Konzeption der joh. Schule (III,190). Die Herkunft von Joh 21,1-23 vom Evangelisten lässt sich nicht verteidigen. Höchstens hatte die Redaktion mündliche Überlieferungen von ihm (III,417).

4. Tradition und Redaktion. Die Annahme einer Quelle für die Wunderberichte ist am besten begründet (51; III,464). Die von Bultmann postulierte Logien- oder Redenquelle wird abgelehnt (54).
Für Schn. sieht das Bild der Entstehungsgeschichte so aus: Das Johannesevangelium ist im wesentlichen das Werk des Evangelisten, der sich aber auf mancherlei Traditionen stützte und sein Evangelium langsam wachsen und reifen ließ, ohne zu einem letzten Abschluss zu kommen.
Zu den benützten Traditionen gehören neben einer schriftlichen Wunderberichtsquelle mündliche Erzählungen von eigenständiger Originalität, die Anspruch auf hohes Alter und zuverlässige Informationen haben. Dem Prolog dürfte ein christlicher Logoshymnus zugrunde liegen (60). Der Evangelist konnte seinem Werk nicht die letzte Gestalt geben und hinterließ Material, das die Schlussredaktion einfügte, die auch für die literarische Unordnung im Johannesevangelium verantwortlich ist. Es gab nicht mehrere aufeinanderfolgende Redaktionen.

5. Die Verfasserfrage. Der Evangelist wird einerseits als Tradent der Überlieferung und Verkündigung des Apostels Johannes gesehen (vgl. weiter III,460 nicht Apostel, sondern Traditionsträger der joh. Gemeinde und vorzüglicher Interpret der Jesusbotschaft), andererseits ist er doch auch selbst Theologe und Verkündiger für die angesprochenen Leser (86). Mit dem „geliebten Jünger“ ist nicht der Evangelist gemeint, sondern jener anonyme Traditionsträger der joh. Gemeinde (88; III,460).

6. Sprache, Stil, Gedankenbewegung. Das Johannesevangelium ist von vornherein griechisch geschrieben (93). Nach dem semitischen Kolorit wird man die Herkunft des Evangelisten aus dem Judentum ungern infrage stellen, nach dem  fehlerfreien und in seiner Art eindrucksvollen Griechisch aber einen längeren Aufenthalt in hellenistischer Umgebung annehmen müssen.

7. Geistiges Milieu und Herkunft. Die stärkste Anknüpfung für seine Christologie findet der Evangelist sicherlich in der Weisheitsliteratur. Ohne den tragenden Grund des AT ist das Johannesevangelium nicht denkbar. Es zeigt Berührungen mit dem zeitgenössischen Judentum, hat Parallelen zu den Qumrantexten und eine geistige Verwandtschaft mit der Gedankenwelt von Qumran. Es zeigt aber auch eine Öffnung für „gnostische“ Fragestellungen und Ausdrucksweisen einer jüdisch beeinflussten Frühstufe der Gnosis (131). Die joh. Tradition, deren Wurzeln in Palästina liegen, ist auch durch das Medium syrischen Einflusses gegangen, ehe sie in Kleinasien (Ephesus) Fuß fasste, fixiert und redigiert wurde.

8. Theologische und zeitgeschichtliche Tendenzen.

9. Textüberlieferung und Textkritik.

10. Das Johannesevangelium in der Geschichte. Hier interessiert besonders die Besonnenheit und Nüchternheit hinsichtlich mariologischer Aussagen auf Grund des Johannesevangeliums, zu der Schnackenburg mahnt, selbst wenn das wie eine minimalistische Exegese aussieht. Wenn wir nicht in die Fehler der Vergangenheit fallen wollen, wird der den Literalsinn erforschende Exeget lieber ein „Zuwenig“ als ein „Zuviel“ aus dem Text herauslesen (195). Schn. stellt sich die Aufgabe, in strenger Bindung an den Text, eher vorsichtig und nüchtern als kühn und ungesichert vorstoßend, den theologischen Aussagegehalt zu erschließen, ohne darum die vielen anstehenden Einzelprobleme zu vernachlässigen.

Zu den Exkursen.

1. Herkunft und Eigenart des joh. Logos-Begriffes. Der joh. Logos-Hymnus steht im ganzen dem jüdisch-urchristlichen Denken viel näher als dem gnostischen (269).

2. Der Präexistenzgedanke. Die Präexistenzaussagen haben eher jüdischen als gnostischen Charakter (301).

3. Die Würdenamen Jesu in Joh. 1.

4. Die joh. Zeichen. Die joh. Zeichen sind mit den Wundern des Exodus verwandt und den prophetischen Symbolhandlungen (351; 356).

5. Der Menschensohn im Johannesevangelium. Johannes ist Neuinterpret der vor ihm liegenden urchristlichen Tradition. Der Titel „Menschensohn“ stammt nicht aus der Gnosis.

6. Der gnostische Erlösermythus und die joh. Christologie. Dieser Exkurs ist für das Verständnis der Problemlage nach Bultmann sehr wichtig. Schnackenburg ist zu dem sehr gut begründeten Ergebnis gekommen, dass sich beim gnostischen Erlösermythus  und  der  joh.  Christologie  zwei  Welten gegenüberstehen: Gnosis und Glaube. Die Christusbotschaft ist etwas wirklich ganz Neues und Andersartiges. Die Rede vom Aufstieg des Menschensohnes hat ihren Ursprung in Erhöhung und Verherrlichung. Der Gedanke des Abstiegs ist durch die jüdischen Weisheitsspekulationen vorbereitet. Auf S. 447 gibt Schnackenburg eine Zusammenfassung seiner Ergebnisse.

7. Das joh. Glauben.

8. Herkunft und Sinn der Formel „ego eimi“. Das AT bildet den Ausgangspunkt für die ‚ego-eimi’ -Aussagen, aber die Bildung der Selbstprädikation mit Bildworten ist unter dem Einfluss des hellenistisch-gnostischen Redetypus geschehen (II,66).

9. „Der Sohn“ als Selbstbezeichnung Jesu im Johannesevangelium. Das „Vater-Sohn-Verhältnis“ ist der Schlüssel zum Verständnis des joh. Jesus. Die formalen und strukturellen Ähnlichkeiten lassen es als möglich erscheinen, dass der vierte Evangelist trotz aller primären Abhängigkeit von der urchristlichen Tradition auch die gnostische Redeweise von dem „Sohn (Gottes)“ und den damit verbundenen Erlösungsmythus berücksichtigt hat (II,166).

10. Der joh. Wahrheitsbegriff. Schnackenburg leitet den Wahrheitsbegriff nicht aus der Gnosis ab. Trotz Verwandtschaft mit Qumran und der Weisheit wahrt der joh. Wahrheitsbegriff sein Eigenes (II, 278).

11. Selbstentscheidung und –verantwortung, Prädestination und Verstockung. Berührung mit qumranischen Gedankengängen.

12. Der Gedanke des Lebens im Johannesevangelium. Die Qumrantexte tragen für den joh. Lebensgedanken nach Schn. nichts bei. Der Lebensbegriff bei Joh. ist von Hellenismus und Gnostizismus nicht unbeeinflusst, aber dem jüdischen Denken verpflichtet.

13. Erhöhung und Verherrlichung Jesu.

14. Das eschatologische Denken im Johannesevangelium. Schnackenburg sieht in Joh. 5,28 einen  Nachtrag  von  Schülern des Evangelisten (II,544). Das Desinteresse des Evangelisten an den Endereignissen dürfte durch einen Wandel der geistigen Haltung, ein verändertes Existenzbewusstsein erklärt werden. Der vierte Evangelist hat einen Beitrag zum Problem der „Entmythologisierung“ geleistet.

15. Das joh. Abendmahl und seine Probleme.

16. Der Paraklet und die Paraklet-Sprüche. Schn. unterscheidet mit Recht die Herkunftsfrage für den Paraklet-Titel von seiner Verwendung und Sinnauffüllung durch den Evangelisten bzw. andere Mitglieder des joh. Kreises (III,167-9). Interessant ist auch die kleine Wirkungsgeschichte der Paraklet-Sprüche (III,171-3).

17. Jünger, Gemeinde, Kirche im Johannesevangelium.

18. Der Jünger, den Jesus liebte. Nach wiederholter Untersuchung der Gestalt des geliebten Jüngers kommt Schnackenburg zu keiner endgültigen Lösung, sondern zu der relativ besten wissenschaftlich vertretbaren Antwort. Der geliebte Jünger ist eine geschichtliche Person, der später als historischer Zeuge zur Idealgestalt wird (III,457). Schnackenburg kommt es auf die historisch begründete, mit der inneren Evidenz des Joh.- Ev. übereinstimmende Ansicht an, dass der geliebte Jünger, den die Redaktion mit einem langlebigen Herrenjünger identifiziert, ein solcher ehrwürdiger Zeuge noch aus den Tagen Jesu sein dürfte, den die joh. Gemeinde als ihren Gewährsmann, Traditionsträger und Interpreten der Taten und Worte Jesu verehrt (III,463).

Korrigenda: I,7 (13,1 21-30); II, 444 Z.8; III, 452 Z. 21 v.u.; III, X 18; III, 219 Seitenüberschrift; III, 265 Z. 17; III, 439 Z. 5 v. u. und Anm. 78; III, 440 Anm. 80 Z. 2.

Redaktion im Johannesevangelium – einige Anfragen.

In einer Rezension (BZ NF 13 1969, Seite 143) schrieb Schnackenburg vor sieben Jahren: „Das Problem von Tradition und Redaktion (vgl. mein Joh.-Ev. I,46-59) wird für die weiteren Bemühungen um das Joh.Ev. immer stärkeres Gewicht gewinnen;...“ In der Tat geht das, was Schnackenburg in seinem Kommentar der Redaktion zuschreibt, weit über das hinaus, was ihr Bultmann zuschrieb. Es geht mir hauptsächlich um die Kap. 15-16 bzw. 17 und um Joh. 13,12-27, sowie 13,34 f., aber auch um Joh. 21 und die Frage der Redaktion überhaupt. Die Analyse des Johannesevangeliums zeigt, dass der Evangelist zwei große Traditionskomplexe übernommen und kommentiert hat, die Semeia-Quelle und synoptikerähnliches Material. Das synoptikerähnliche Material war schon einem längeren Traditionsprozess ausgesetzt. Vorjohanneische Redaktion hatte es überarbeitet. Das hat A. Dauer (Die Passionsgeschichte im Johannesevangelium, München 1972) für Joh. 18f aufgewiesen. Die vorjohanneische Überarbeitung gilt meiner Meinung nach aber für das synoptikerähnliche Material überhaupt, also z.B. auch für die Fußwaschung in Joh. 13, die neben der vorjohanneischen Überarbeitung (Joh. 13,12-17) nun auch eine johanneische Deutung gefunden hat. Als vorjohanneische Überarbeitung verstehe ich auch die Einfügung des geliebten Jüngers in das Material der alten Tradition in Joh. 13,18ff. sowie an den anderen Stellen, wo von ihm die Rede ist. Die Sprachanalyse (s. Ruckstuhl) lässt wohl eine Unterscheidung von Tradition und joh. Interpretation, aber nicht von Joh. Interpretation und Redaktion zu (vgl. dazu die Aussagen Schnackenburgs in III, 129; 183; 230; 410; 417; 430: „Der Abschnitt könnte vom Evangelisten stammen“ „...aber allerdings bleibt es auch möglich, dass der Evangelist unter dem veränderten Horizont...seine Sprache modifiziert“ „entscheidende Gegeninstanzen gegen die Sprache des Evangelisten gibt es nicht“ „an der ‚joh.’ Erzählweise und der Nähe zum joh. Stil ist für 21,15-23 kaum zu zweifeln“ der „Erscheinungsbericht“ trägt „Zeichen des joh Stils“).

Ich nehme deshalb eine Überarbeitung einer Erstform des Johannesevangeliums mit schon vor Johannes überarbeitetem synoptikerähnlichem    Material    durch    den    Evangelisten in erschwerter Gemeindesituation an. Ich sehe also folgende Stufen:
1. Stufe: altes, synoptikerähnliches Material, von einem Augenzeugen garantiert.
2. Stufe: vorjohanneische Überarbeitung und Erweiterung dieses Materials (Beispiel für Überarbeitung: Joh 13,12-17; die Einarbeitung des geliebten Jüngers Joh. 13,23-25, 19,26f., 19,35, 20,1ff., 21,7, 21,20ff.; Beispiel für Erweiterung: 19,23f).
3. Stufe: Einarbeitung des Materials der 2. Stufe (= viertes synoptisches Evangelium) durch den Evangelisten in sein durch Wundergeschichten (Semeia-Quelle) und Reden bestimmtes Evangelium und Hinzufügung johanneischer Reden, die die verschärfte Gemeindesituation widerspiegeln (Joh. 15,25, 16,1f.). Diese 3. Stufe sehe ich als Ursache vieler Probleme im Johannesevangelium an (z.B. Einarbeitung von synoptiker-ähnlichem Material nach Joh. 1,5, zwischen Joh. 4 und 6, nach Joh.6,51a).

Schnackenburg möchte diese Probleme so lösen
, dass der Evangelist kein abgeschlossenes Evangelium hinterlassen hat, die Redaktion seine Sprache sprach oder joh. Entwürfe benutzte und „kirchliche“ Interessen vertrat (z.B. Einfügung von 5,28f.). Dem steht neben der sprachlichen Einheitlichkeit des nicht von der Tradition vorgegebenen Materials folgendes entgegen: 1. Die Abschnitte vom geliebten Jünger in Joh. 13-20 sind nur Präludium für seine entscheidende Begegnung mit Petrus in Joh. 21,15ff. Alle Abschnitte vom geliebten Jünger finden sich nur im von der Tradition vorgegebenen synoptikerähnlichen Material. Sollte eine nachjoh. Redaktion in Joh. 21 des geliebten Jüngers in so großartiger Weise gedenken und den Theologen Johannes aus ihrer Mitte, der ihre Sprache geprägt hat, mit keiner Silbe erwähnen?

2. Dem Evangelisten ist ein Psalm besonders wichtig: Ps 69. Er benutzt ihn in Joh. 2,17 und, mit besonderer Einführungsformel, in Joh. 19,28 – beide Male in synoptikerähnlichem Material. Sollte von ihm nicht auch das Zitat aus Ps. 69 in Joh. 15,25 samt dem damit eng verbundenen Kontext stammen?

3.  Vergleicht man Joh.  14,31 (nach Schnackenburg vom Evangelisten), 16,1 (nach Schn. von der Redaktion) und 18,1 (nach Schn. vom Evangelisten) mit Mk. 14,42  14,26 und 14,27, so sieht man, dass das, was Schn. auf Evangelist und Redaktion verteilen will, in der markinischen Tradition beieinander steht, wahrscheinlich auch vom Evangelisten zusammen benutzt worden ist.

Um meine Überlegungen zusammenzufassen, möchte ich die Frage stellen: Ob nicht eine Person (der Evangelist) aus zwei Quellen (Semeia-Quelle und viertes synoptisches Evangelium) in zwei verschiedenen Gemeindesituationen (zuerst Auseinandersetzung mit Juden in Diskussionen, dann Verfolgung durch Juden, Ausschluss aus der Synagoge und Martyrium) das gesamte Evangelium einschließlich Joh. 21 geschrieben hat?

Gesamtbeurteilung des Johanneskommentars

Das Ausmaß meiner Anfragen an Schnackenburgs Literarkritik könnte den Eindruck einer umfassenden Kritik erwecken. Ich empfinde sie nur als eine punktuelle Kritik, die im Hinblick auf das großartige Gesamtwerk fast nichts bedeutet.
Wirklich bedeutsam ist, dass Schnackenburg eine neue Johannesauslegung nach Bultmann geschaffen hat, in der mit Recht die Gnosis eine untergeordnete Rolle spielt und der alttestamentlich-jüdische Hintergrund klar herausgestellt wird. Wichtig ist die umfangreiche und sehr umsichtige Verarbeitung der Literatur zum Johannesevangelium. Sehr bedeutsam ist, dass durch Schnackenburgs Forschungen der geliebte Jünger zu einer greifbaren Gestalt geworden ist. Wichtig ist die zuverlässige Einzelexegese. Sicher wird es manchen Theologen geben, der die existentiale Interpretation Bultmanns den wenigen Bezügen, die er bei Schnackenburg zu unserer Zeit findet, vorzieht, aber das ändert nichts daran, dass wir in Rudolf Schnackenburgs Kommentar den Johanneskommentar auf Weltebene haben, der die Ökumene im Bereich der theologischen Wissenschaft fördert.